• Psychotraumatologie

Psychotraumatologie

Gewaltverbrechen, Unfälle oder Naturkatastrophen hinterlassen die direkt Betroffenen oft in einer Schocksituation und führen zu massiven Gefühlen der Verunsicherung. Nach traumatischen Erfahrungen kann das Leben aus den Fugen geraten. Es kommt zu Gefühlen der Ohnmacht und Hilflosigkeit. Alles, was bisher geholfen hat, funktioniert nicht mehr. Der eigene psychische Bewältigungsapparat wird durch das Ereignis überfordert. Die Kontrolle über die Situation geht verloren. Auf der subjektiven Ebene empfinden Opfer intensive Angst bis hin zu Todesangst und berichten von dissoziativem Erleben. Die Wahrnehmung ist verändert. Traumatische Erfahrungen beeinflussen die Funktion des Gehirns weitreichend.


Traumatisierte Menschen reagieren in der Folge sehr unterschiedlich. Die Befindlichkeiten und Beschwerden wechseln zum Teil innerhalb kürzester Zeit heftig. Etliche Betroffene wollen immer wieder über das Ereignis sprechen, andere vermeiden jedwede Konfrontation und schweigen. Die Bandbreite menschlicher Reaktionen entspricht der Vielfältigkeit des Menschen.

 

Der betroffene Mensch versucht die Verletzung mit den ihm zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen selbst “zu verarzten”, zu heilen. Egal, wie skurril Betroffene in den ersten Wochen reagieren, sie sind nicht verrückt. Verrückt ist das, was sie erlebt haben. Es ist eine normale Reaktion der Betroffenen auf den erlebten Ausnahmezustand. Egal, wie heftig oder ungewöhnlich die Gefühlszustände erscheinen mögen, es gibt dabei kein falsches Erleben. Um die Erfahrung zu verarbeiten, in seinen Lebensentwurf zu integrieren, benötigt der Mensch Zeit. Betroffene versuchen einen eigenen Weg zu finden.

 

Gelingt der Bewältigungsprozess nicht, geht die anfängliche traumatische Reaktion in einen traumatischen Prozess über. Die Beschwerden verfestigen sich und/oder neue gesundheitliche Probleme kommen hinzu. Die Folgen können gravierend sein. Es kann zur Ausprägung psychischer Erkrankungen in Form von Traumafolgestörungen kommen. Neben einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden langfristig viele Betroffene u. a. an depressiven Störungen, Suchterkrankungen (insbesondere Alkohol und Medikamente), psychosomatischen Problemen, Angststörungen und anderen körperlichen und psychischen Erkrankungen.

 

Der gesamte Körper wird mit der Zeit in Mitleidenschaft gezogen und oftmals werden die Beschwerden mit dem ursprünglichen Ereignis gar nicht in Verbindung gebracht. Alkohol und Medikamente werden von manchen Betroffenen als Selbstheilungsversuch eingesetzt, um die Bilder und Gefühle zu betäuben. Dies gelingt anfangs vielleicht, wobei oftmals ein eigenständiges Problem durch die Suchtmittel entsteht. Im Extremfall führen schwere traumatische Erfahrungen zu einem sozialen Abstieg, vermehrten beruflichen Ausfallzeiten, Frühberentungen, Scheidungen und dissozialen Entwicklungen, in manchen Fällen zu einer erhöhten Suizidgefahr.

 

Menschen reagieren sehr verschieden auf traumatische Erfahrungen und Hilfsangebote. Was für den einen hilfreich und entlastend ist, kann einen anderen Menschen eher belasten und ihn in seiner Verarbeitung stören. Jeder hat eigene Strategien und Methoden entwickelt, auf belastende Situationen zu reagieren. Viele versuchen es ohne Hilfe, andere dagegen ersuchen um professionelle Hilfe. Ihr Verhalten erscheint manchmal fremd und unverständlich. Im Kontakt mit Betroffenen geht es vor allem darum, die individuellen (konstruktiven) Selbstheilungsversuche zu unterstützen. Hilfe und Unterstützung sollten sich immer an den konkreten Bedürfnissen des Einzelnen orientieren. Das Gegenüber ist verpflichtet, mit den unterschiedlichen Reaktionen einfühlsam und verständnisvoll umzugehen.

 

Traumatisierte brauchen ihren Schutzraum, damit sie ihren Genesungsprozess beginnen oder fortsetzen können. Wird dieser verletzt, gerät das Opfer wieder in Not. Der betroffene Mensch braucht Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten, um seine eigenen Ressourcen abrufen zu können.

 

Traumatisierte Opfer befinden sich in einem Ausnahmezustand. Durch ihre Betroffenheit sind ihre eigenen Schutzmechanismen herabgesetzt oder gar vollständig aufgehoben. Wir treffen auf seelisch sehr verletzte Menschen, die teilweise nicht mehr in der Lage sind sich selbst zu schützen. Es liegt in unserer Verantwortung, mit dieser Vulnerabilität angemessen und verantwortungsbewusst umzugehen.

 

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